Die Selbstoptimierung des Menschen passiert an der Schnittstelle. An der Schnittstelle von Neurotechnologie, künstlicher Intelligenz und Wissenschaft. Neue Technologien machen es zunehmend einfach, komplette Tagesabläufe zu digitalisieren. Angefangen bei konsumierten Kalorien, bei der Bewertung der Schlafqualität, hin zu getätigten Schritten und unzähligen Anwendungen des «Self-Tracking». Längst geht es nicht mehr nur um das «Quantifizierte Selbst». Es geht um die Optimierung von Verhalten und letztlich des Lebens mit Hilfe physisch-digitaler Produkte.
Das Startup emotiv proklamiert mit seinen neuen Headsets: «connecting you, your brain, and the world”, um das eigene Gehirn zu verstehen und besser zu nutzen. Die implantierbaren Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCIs) von Paradromics nutzen elektronische Schaltkreise, die unter dem Schädel und auf der Oberfläche des Gehirns platziert werden, um eine Schnittstelle zu den Neuronen im Gehirn herzustellen. Bei beiden Methoden werden aus dem Gehirn eingehende elektrische Signale in aussagekräftige digitale, kontextbasierte Daten umgewandelt. Diese lassen sich nutzen, um Verhalten zielgerecht zu ändern und aus uns bessere Menschen zu machen.
Virtual Reality spielt für gezielte Verhaltensänderung eine besondere Rolle. Der Gründungsdirektor des Stanford Virtual Human Interaction Lab, Jeremy Bailenson, entwickelt VR, um beispielsweise Rassismus, Sexismus oder andere Arten der Diskriminierung erlebbar zu machen (und künftig zu vermeiden). Sein Ziel: die virtuelle Realität nicht als «künstliche» Medienrealität zu erleben, sondern als «Wirklichkeit», mit deren Hilfe man Empathie trainieren, posttraumatische Störungen behandeln oder eine effiziente und effektive Ausbildung ermöglichen kann.
Bereits im Jahre 2019 konnte anhand einer Studie bezüglich Managementtrainings bei Wal Mart gezeigt werden, dass Virtual Reality den Zeitaufwand für Trainings – oder anders gesagt, die Zeit, bis jemand etwas Neues gelernt hat – massiv verkürzen und Lernerfolge optimieren kann. Bei Wal Mart konnte die Voreingenommenheit der Trainees (sog. «bias») ausgeschaltet und Kandidaten in Positionen platziert werden, die ihren Fähigkeiten optimal entsprechen.
Auf der anderen Seite wird durch die Anwendung neuer Technologien zur Optimierung menschlichen Verhaltens die Sammlung unzähliger Daten ermöglicht, die es wiederum erlaubt, Produkte bedürfnisgerecht (weiter) zu entwickeln. Dabei muss beachtet werden, dass nicht alle Nutzer gleichermassen bereit sind, Daten zu teilen.
Forschungsergebnisse deuten in gewissen Bereichen darauf hin, dass es Genderunterschiede in der Akzeptanz sowie Nutzung technologisierter Praktiken des «Quantified Self» (mit einer Überzahl männlicher Nutzer) gibt. Die Forschung zeigt auch, dass bei einigen Nutzern ein durchaus paradoxes Verhältnis zwischen Datenaufzeichnung und gleichzeitiger Ablehnung der Datenspeicherung vorliegt. [Schwaiger, Lis (2020)].
Eine sorgfältige Analyse ethischer Gesichtspunkte, sowie von nutzerspezifischen Motivatoren und Abneigungen im Vorfeld tut not, damit datenbasierte Produkte erfolgreich lanciert werden können.