Vertrauen bringt Innovationserfolg
Innovation gilt als der Wachstumsmotor von Unternehmen und Volkswirtschaften. Die Grundbedingung, dass Innovation funktionieren kann, ist das Vorliegen von Vertrauen. Denn ohne dass Kunden, Mitarbeiter oder Investoren vertrauen, gibt es keinen Fortschritt. Es braucht Vertrauen in die
Zukunft – aber auch Vertrauen dahingehend, das „Richtige“ zu tun. Vertrauen kann unterschiedlich definiert werden – im Innovationskontext bedeutet Vertrauen vor allem den Glauben an die „Verlässlichkeit einer Idee“.
Die „Harvard Business Review“ befragte 2022 zahlreiche Führungskräfte
und kam dabei zu folgendem Ergebnis: 82 Prozent der Befragten waren der Ansicht, dass hohe Vertrauensniveaus seitens Kundschaft die Innovation
erleichtern. Nun kommt Vertrauen nicht von selbst – es ist Sache der Unternehmen, eine vertrauensvolle Umgebung zu bieten, damit nicht nur die Entwicklung neuer Ideen gelingt, sondern diese auch erfolgreich am Markt untergebracht werden können.
Innovationen verbreiten sich am Markt nicht automatisch. Im Gegenteil:
Zunächst bedeutet Innovation Wandel, auf den die meisten Marktteilnehmer nicht gerade warten.
Der Wissenschaftler E. M. Rogers erkannte bereits 1962, dass es bei der Verbreitung einer Innovation am Markt (sogenannte Diffusion) eine gewisse
Systematik gibt. Dies, da wir Menschen eine unterschiedlich grosse Bereitschaft mitbringen, Neues zu probieren. Rogers fand entsprechend, dass sich
(technologische) Innovationen am Markt sequenziell unter fünf psychografischen Charakteren verbreiten. Im Normalfall ergibt sich so eine Diffusionskurve in Form eines mehr oder weniger steilen „S“, bei der die Rate der sogenannten
Innovationsannahme oder -adoption durch Nutzer anfangs eher flach verläuft, bevor sie sich irgendwann rapide steigert, um dann wieder abzufallen. Den meisten wird die Einteilung in die Kategorien von Innovatoren bis zur sogenannten späten Mehrheit bekannt sein.
Innovationen konkurrieren in der Adoption gegen Bestehendes und auch
gegen Wettbewerbsinnovationen, da die potenziellen Anwender in der Regel
die Wahl haben, was sie übernehmen wollen. Weitere Faktoren wie die Art einer Innovation und die Struktur sozialer Netzwerke sind entscheidend dafür, wann welche Marktteilnehmer eine Innovation annehmen.
Wie kann man nun Vertrauen so aufbauen, dass sich Kundinnen und Kunden
möglichst rasch für eine Innovation entscheiden?
Nachfolgend ein paar Ansatzpunkte:
• Die Bedürfnisse der Menschen hinsichtlich ihrer eigenen Innovationsbereitschaft
sind unterschiedlich. Aus der Sicht des Unternehmens müssen wir uns also zuerst einmal klar machen, wer das eigentlich ist, der unsere Innovation annehmen soll. Das bedeutet, wir müssen unsere Kunden genauer
ansehen und überlegen, wer in welche der oben genannten Kategorien fällt.
Kundenvertrauen ist kein absolutes Konstrukt, die Wahrnehmungen verschiedener Personengruppen können stark voneinander abweichen.
• Gemäss Rogers zeigen sich Innovatoren (die weniger als 3 Prozent der Population ausmachen) besonders erfreut darüber, „am Puls der Zeit“ zu sein. Andere Gruppen erfordern mehr Überzeugungsarbeit, zum Beispiel weil sie fürchten, eine Innovation fordere von ihnen die Änderung ihrer
Gewohnheiten.
• Meinungsbildner:innen können dabei helfen, Vertrauen in die Innovation
aufzubauen und einen Systemwechsel zu erreichen, indem sie das normative Argumentarium der Innovation verändern. Facebook zum Beispiel wurde zunächst in Bildungseinrichtungen (mit Zielpublikum Studierende und Angestellte) verbreitet, die das Produkt dann über die Grenzen ihrer Institutionen in den breiten Markt hinaustrugen. Um die richtigen (möglichst unabhängigen und vertrauenswürdigen) Meinungsführer: innen oder Expert:innen als Fürsprecher:innen zu gewinnen, muss man
sich klar machen, welche Adoptergruppe man vor sich hat und welchen sozialen
Einflüssen diese unterliegt.
• Um die Innovationsnachfrage anzuregen, müssen Abnehmer:innen Vorteile der Neuheit klar erkennen können. Besonders für die sogenannten „Early Adopters“, die zeitlich auf die Innovatoren folgen, müssen die Vorzüge etwaige Nachteile klar überwiegen. Anders als die „frühe und späte Mehrheit“
unterliegen Early Adopters kaum sozialem Druck, Neues zu probieren. Der Schwerpunkt muss hier also darauf liegen, Vertrauen in die Vorteile der Neuheit zu stärken.
• Für alle Adoptertypen gilt: Komplexität muss abgebaut werden – Innovation
muss einfach verständlich sein. Es lohnt sich immer, Neues mit Bekanntem zu verbinden, um die bei Abnehmer:innen empfundenen Risiken zu mindern. Nicht umsonst bleiben auch bei neuen iPhone-Releases gewisse Benutzeroberflächen immer gleich.
• Innovative Unternehmen müssen es der Mehrheit einfach machen, den
Innovatoren und „Early Adopters“ zu folgen. Wir vertrauen unseren (beruflichen oder privaten) „Peers“ meist stärker als einem Anbieter, wenn wir
eine Adoptionsentscheidung treffen müssen (Stichwort: Herdeneffekt). Sich der relevanten Bezugsgruppen (Influencer) bewusst zu werden und deren
Informationsaustauch und eine Weiterempfehlungsmöglichkeit schon bei der Konzeption der Innovation zu berücksichtigen, kann die Diffusion beschleunigen.
• Je kritischer eine Innovation für uns ist (zum Beispiel wenn die Innovation einen Einfluss auf unsere Gesundheit hat), desto wichtiger wird das Vertrauen bei der Planung ihrer Diffusion. Da sich Vertrauen bevorzugt in Netzwerken bildet, gewinnen diese an Relevanz. Die Muster von Netzwerkkontakten führen zum Beispiel zu unterschiedlich grossem sozialem Druck und damit zu einer anderen Adopter-Charakteristik. Auf dem Land spielte für die Verbreitung der Antibabypille so der normative Aspekt eine viel
grössere Rolle als in anonymen Städten, wo sich das Produkt via soziales
Lernen über den Produktnutzen verbreiten konnte.
• Letztlich kommt seitens Konsument:innen immer mehr das Bedürfnis nach einem Vertrauensaufbau jenseits der eigentlichen Produktleistung, zum Beispiel im Bereich ethischer, sozialer oder nachhaltiger Aspekte, auf.
Kundenvertrauen wird massgeblich durch das Verhalten einer Unternehmung und nicht nur durch Kommunikation aufgebaut. Es sind nicht immer die besten Ideen, die eine vorbildliche Diffusion am Markt erreichen. Es sind allerdings immer diejenigen Ideen, die es schaffen, bei Kund:innen in allen Phasen der Adoption Vertrauen aufzubauen – und zwar sowohl auf der technologischen, der individuellen als auch der gesellschaftlichen Ebene.
Die Verbreitung einer Innovation am Markt muss, wie man sieht, aktiv gestaltet werden. Vertrauensaufbau braucht Zeit, wobei eine frühzeitige Simulation der entsprechenden Mechanismen im Diffusionsprozess entscheidend ist. Zeit, die man einsetzt, um Kundenvertrauen aufzubauen, ist nie umsonst.
Denn schliesslich lernt man dabei seine Kundschaft immer besser zu verstehen, wodurch wiederum die Adoptionswahrscheinlichkeit steigt.
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